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Hinterfragt: ist das Cruise-Bashing in Zeiten von Corona gerechtfertigt?

Die Oasis of the Seas von Royal Caribbean beim Auslaufen aus Palma de Mallorca, Spanien

Noch vor einigen Wochen war ich an Bord von MSC Bellissima auf einer einwöchigen Orient Kreuzfahrt. Warme Temperaturen, spannende Destinationen und ein Rund-um-Wohlfühlpaket: Dinge die für uns ganz selbstverständlich waren. Heute sitze ich Zuhause und halte mich an die Massnahmen der Schweizer Regierung. Unteranderem Social Distancing, Home-Office und verzichte auf unnötige Reiseaktivitäten. Die Pandemie «COVID-19», oder auch «Corona Virus» genannt, hat uns fest im Griff und das wohl für längere Zeit.

Auch die Kreuzfahrtbranche hat es seit Ausbruch des Virus stark getroffen. Zuerst in Asien, dann folgten zahlreiche Reiseabsagen. Nachdem Italien noch stärker von der Pandemie getroffen wurde, und obwohl noch mehr in Punkto Hygiene umgesetzt wurde, hat Costa den Betrieb ihrer Schiffe eingestellt. Bis jetzt haben alle Reedereien ihren globalen Betrieb bis Mitte oder gar Ende Mai aufgehoben. Eine Besserung ist aktuell nicht in Sicht und daher stellt sich die Frage: «ist das Cruise-Bashing in Zeiten von Corona gerechtfertigt?».

Die Kreuzfahrtbranche boomte in den letzten Jahren sehr. Im Jahr 2019 wurden über 30 Millionen Passagiere, die eine Kreuzfahrt unternehmen werden, prognostiziert und 18 neue Kreuzfahrtschiffe in Dienst gestellt. Dies geht aus dem Jahresbericht der CLIA, dem Branchenverband, heraus. Ein Ende des Booms war nicht in Sicht und sehr optimistisch waren die Konzernchefs der Cruise Lines eingestellt. So hat MSC Kreuzfahrten ein Investitionspaket aufgestellt in Höhe von über 13 Mia. Euro, welches vorsieht 14 neue Kreuzfahrtschiffe zu bauen und in private Destinationen (Ocean Cay MSC Marine Reserve auf den Bahamas) zu investieren. Dadurch würden tausende neue Arbeitsplätze weltweit geschaffen werden. Ähnlich sieht es bei den Konkurrenten aus: die Carnival Corporation, zu welcher Costa Kreuzfahrten und AIDA Cruises gehört, baut für den ganzen Konzern neun neue Kreuzfahrtschiffe, welche komplett durch Liquid Natural Gas betrieben werden können. So hat aktuell AIDA eines in Betrieb und zwei weitere sind geplant, Costa erhält zwei, Carnival Cruise Line erhält zwei unteranderem die Carnival Mardi Gras Ende Jahr und P&O Cruises hat erst gerade die IONA übernommen und ein weiteres folgt. Auch in Punkto Destinationen investieren die Reedereien sehr grosszügig. Royal Caribbean International renovierte erst kürzlich die eigene Bahamas Insel auf Coco Cay und plant in den kommenden Jahren einen eigenen Beach Club auf Antigua zu errichten sowie auf Neukaledonien eine Privatinsel zu bauen. Selbstverständlich kamen Fragen wie «benötigt man wirklich 100 neue Kreuzfahrtschiffe in den nächsten zehn Jahren?» oder «reichen die aktuellen Massnahmen in Punkto Umweltschutz aus, um nachhaltig oder gar klimaneutral unterwegs zu sein?» auf. Völlig legitime Gedanken, die den Endkonsumenten stark beschäftigt haben. Auch durch die Klimadebatten oder Friday for Future Märsche rückte die Kreuzfahrtbranche immer mehr ins Licht der Tatsachen. Doch anscheinend bremste es den Hunger nach der Urlaubsform Kreuzfahrten nicht und noch lange scheint dieser Markt nicht gesättigt zu sein. 

Wenn man die letzten Berichte in den Medien in Bezug auf Kreuzfahrten und die Corona-Pandemie liest, dann fällt eines auf: auch in Zeiten von Corona wird die Branche heftig getroffen. Nicht mal bei Ereignissen wie 09/11 oder dem Costa Concordia Untergang rüttelte es die Kreuzfahrtbranche so durch wie jetzt. So beschäftigte die Medien aktuell die Irrfahrt der Zaandam von Holland America Line mit vier COVID-19 Todesfällen an Bord, das Desaster auf der Diamond Princess in Japan, die unorganisierte Ausschiffung der Gäste der MSC Fantasia in Lissabon, unangekündigte Reiseabbrüche oder vierzig am Corona Virus erkrankte Passagiere auf der MS Artania von Phoenix Reisen. 

Und trotz den Erfahrungen mit dem Norovirus, scheint die Branche diesem Virus völlig ausgesetzt zu sein. Denn bereits vor dem Ausbruch dieser Pandemie galt die Kreuzfahrtbranche als die Branche, die Hygienestandards auf höchstem Niveau verfolgt. So sind Hände waschen und desinfizieren bei Gästen und der Crew so zu sagen Pflicht, Flure, Gangways oder Touchscreens werden regelmässig gereinigt und desinfiziert und auch Lebensmittel und Getränke kommen nur an Bord, wenn Sie die Hygienestandards erfüllen. Massnahmen, die einen Ausbruch eines Virus auf einem Schiff verhindern sollen. Aber ganz unumgänglich ist es eben nicht, wenn ein einziger Passagier ein Virus in sich trägt und gar keine Symptome aufzeigen muss, um das Virus weiter zu verbreiten. Und schwieriger wird es, wenn die Inkubationszeit länger dauert als eventuell eine einzige Kreuzfahrt. Wie dies beim Corona-Virus der Fall ist. Daher ist auch hier das Cruise-Bashing wieder einmal nicht gerechtfertigt und in einer solchen Situation nicht fördernd. 

Ein heutiges Ziel vieler Unternehmen ist, Gewinne zu optimieren. Diesen Weg scheint die Branche in den letzten Jahren wohl gegangen zu sein. Obwohl Reedereien ihren Hauptsitz in Länder wie Italien, Deutschland, den USA oder der Schweiz haben, scheinen die verschiedenen Staaten nicht bereit zu sein, finanzielle Unterstützung zu leisten. Denn die Reedereien haben, und das ist offensichtlich, Steuern in Ländern bezahlt, in denen ihre Schiffe registriert sind. Das sind beispielsweise Panama, Malta oder die Bahamas. Und jetzt ist niemand bereit die Verantwortung zu übernehmen. Die Carnival Corporation benötigt dem Kreuzfahrtportalworldwidewave zufolge eine einstellige milliardengrosse Finanzspritze, die die Liquidität für die nächsten 6 Monate sichern sollte. Anschaffungen, die die Unternehmen nun tätigen müssen, um kurzfristig die Liquidität zu sichern. 

Die Negativberichte werden sich wohl in den kommenden Tagen anhäufen und es wird momentan nicht aufhören. Doch trotz diesen Punkten zeigt die ganze Kreuzfahrtbranche eines: Solidarität. So werden gewisse Kreuzfahrtschiffe als schwimmende Spitäler eingesetzt oder Crew-Mitglieder werden per Kreuzfahrtschiff nach Hause gefahren, da viele Airlines den Betrieb aufs Minimum reduziert oder gar eingestellt haben. Auch die CEO’s der Cruise Lines haben sich alle zu Wort gemeldet und Hoffnung und Vernunft vermittelt, was uns bestärkt. Denn auch in schwierigen Zeiten sind wir gemeinsam stark. 

Schlusswort

Wird die Kreuzfahrtbranche den Kampf gegen COVID-19 überleben? Eine Frage die uns aktuell nicht beantwortet werden kann. Doch auch in schwierigen Zeiten gibt es Lichtblicke und so wird sich auch die Kreuzfahrtbranche nach dieser Zeit wieder erholen. Eines kann ich euch aber sagen: Veränderungen kommen und die werden definitiv nicht einfach sein.

So kann es sein, dass Gesundheitschecks mit Fragebögen und Messungen von Körpertemperaturen mit Wärmebildkameras nun gang und gäbe werden. Oder die Reeder verlangen gar ein ärztliches Attest, das die Reisefähigkeit der Passagiere bestätigt. So kann bereits vorher geprüft werden, wer krank war oder sogar ist und dementsprechend eine Reise auf einem Kreuzfahrtschiff antreten darf oder nicht. Vielleicht werden Kreuzfahrtschiffe nun künftig so umgerüstet, dass möglichst wenig angefasst werden muss. So sehe ich zum Beispiel die Kabine mit Gesichtserkennung zu öffnen als mögliches Zukunftsmodell. Oder Reservationen für Theatervorstellungen, Restaurants oder Landausflüge können nur noch per Smartphone oder Tablet getätigt werden. So können die grossen Touchscreens umgangen werden. Oder Passagiere werden künftig gestaffelt ausgeschifft (bei jedem Landgang), um den nötigen Sicherheitsabstand einhalten zu können. Ideen und Gedanken, die mir im Kopf herumschwirren und vielleicht das Erlebnis «Kreuzfahrten» bald wieder ermöglichen werden.